Dr. Ojan Assadian über zukünftige Maßnahmen und Herausforderungen der Krankenhaushygiene der Zukunft.
Prof. Dr. Ojan Assadian DMTH
DTMH Ärztlicher Direktor Landesklinikum Wr. Neustadt
Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Krankenhaushygiene
Es gibt in der Krankenhaushygiene (KHH) zwei herausfordernde Elemente: einerseits den Erhalt der bestehenden Expertise im österreichischen Gesundheitswesen und andererseits die Förderung der fachlichen Aus- und Fortbildung in Medizin, Pflege und den technischen Berufen.
Unabhängig davon steht die KHH wie alle präventiven Themen vor der Herausforderung, dass ein Erfolg bei Präventionsmaßnahmen den Beweis für die Erforderlichkeit dieser Maßnahmen eliminiert. Wenn also kein „Hygienevorfall“ passiert, entsteht dadurch der Eindruck, Krankenhaushygiene wäre nicht von Bedeutung. Darüber hinaus wird Prävention im aktuellen Gesundheitssystem – ähnlich wie andere präventive Fächer – nicht als Leistung angesehen – im Gegenteil zur Reparatur eines eingetretenen Schadens, der vielleicht zu verhindern gewesen wäre.
Der Bereich Hygiene hatte schon immer eine große Bedeutung. Welche Entwicklung konnten Sie in den letzten Jahren rückblickend auf die COVID-19-Krise feststellen?
Interessant ist Ihre Feststellung, dass Hygiene immer eine große Bedeutung hatte. Ich stimme dem Statement grundsätzlich zu; und zwar deshalb, weil ich mich seit mehr als 20 Jahren mit ihr beschäftige und weiß, warum sie eine Bedeutung hat. Abgesehen davon, hatte und habe ich nicht wahrgenommen, dass Hygiene als bedeutungsvoll angesehen oder besonders gefördert worden ist.
Im Gegenteil: In den letzten Jahren habe ich eine fortschreitende Schließung öffentlicherHygiene-Institutionen in ganz Europa festgestellt. Es gibt nur noch wenige universitäre oder akademische Institutionen, die sich mit Hygiene fachlich vollinhaltlich beschäftigen. Die stärksten Aktivitäten sehe ich im privaten Bereich oder im Bereich der Industrie, die versucht, mit dem Erinnern an die Wichtigkeit der Hygiene Produkte oder Dienstleistungen zu verkaufen, die Infektionen aktiv verhindern können. Bei Investitionsplanungen haben diese Aspekte weniger Gewicht als die Fokussierung auf die Anschaffung von Medizinprodukten und Arzneimitteln, die bereits bestehende Erkrankungen diagnostizieren oder heilen.
COVID-19 hat zwar nochmals deutlich gemacht, dass Hygiene im Gesundheitswesen essenziell ist und es hierfür Expert:innen braucht. Der Ruf nach Expertise war dementsprechend ab April 2020 bis Ende 2021 laut. Mit Sommer 2022 hat sich das jedoch wieder gelegt, da nun andere Probleme im Fokus stehen.
Welche Rolle nehmen dabei die Krankenhäuser und im Speziellen deren Fachkräfte ein?
Krankenhäuser müssen sich schon aufgrund der Krankenanstaltengesetze mit Hygiene befassen. Hier darf die wichtige und wesentliche Rolle der Landessanitätsbehörden nicht unerwähnt bleiben, die auf die Etablierung von Hygieneteams in Krankenanstalten pochen. Gerade die NÖ Landesgesundheitsagentur hat hier gut Acht gegeben und einiges in den letzten Jahren vorangetrieben, aber auch andere Träger:innen haben mehr Hygienestellen geschaffen.
Kann Digitalisierung der Schlüssel zur Lösung sein?
Die Krankenhaushygiene ist eine der medizinischen Vorreiterinnen, bei der bereits in den späten 198oer-Jahren im Zuge der US-amerikanischen SENIC-Studie IT-Lösungen zur automatisierten Erfassung von Infektionen und Surveillance von nosokomialen Infektionen bedacht wurden. Hier müssen gerade in Europa noch stärkere Bemühungen erfolgen, um IT-Lösungen, KI und Medizinische Expertensysteme
(MES) zu implementieren und weiterzuentwickeln. Gerade in der Krankenhaushygiene gibt es solche innovativen Lösungen, die jedoch leider noch zu wenig bekannt sind und zu wenig eingesetzt werden.
Welche zukünftigen Veränderungen können wir noch erwarten?
Es gibt noch und immer wieder viel zu tun in diesem Bereich. Beispiele wären Hygieneaspekte zur sicheren Behandlung von Raumluft, automatisierte Infektionserfassung oder
Kl-basierte Erkennung von Sepsis. Und in Bezug auf den Rest – lassen Sie sich überraschen!
BUCHTIPP
Die vierte, aktualisierte und erweiterte Auflage von ,,Krankenhaus- und Praxishygiene“ ist im Juli 2022 im Elsevier Verlag erschienen.